Interview mit Dr. Sebastian Klöss

Metaverse gibt es nicht erst seit gestern und hat sich in den letzten 20 Jahren enorm weiterentwickelt. Wie könnte Metaverse im Jahr 2035 aussehen?

Den Begriff Metaverse gibt es tatsächlich schon seit 1992 – das Metaverse hingegen noch nicht. Momentan existieren lediglich seine Schlüsseltechnologien, etwa Augmented und Virtual Reality, künstliche Intelligenz, 3D-Assets oder die Blockchain. Ausserdem gibt es einzelne Anwendungen und Plattformen, die man als Metaverse-Vorläufer bezeichnen kann. 2035 werden diese verschiedenen Angebote interoperabler und durchlässiger sein, ähnlich wie das heutige Internet. Dann wird es selbstverständlich sein, dass das Internet im Metaverse eine 3D-Erweiterung hat, in der wir uns treffen, in der wir shoppen und uns unterhalten lassen, in der wir gemeinsam arbeiten und lernen, konstruieren und planen, validieren und testen. Die physische Welt und die virtuelle Welt werden nahtlos miteinander verknüpft sein. Mit Augmented-Reality-Brillen werden wir beispielsweise unsere reale Umgebung mit virtuellen Objekten oder auch unseren zugeschalteten Freundinnen und Freunden erweitern. Und von Gebäuden, Maschinen und Fabriken wird es virtuelle digitale Zwillinge ihrer realen Pendants geben.

Wenn wir in Zukunft über ein nahtlos interagierendes Metaverse verfügen, welches die Verbindung aller virtuellen Welten darstellt, könnte es sein, dass man sich als Mensch entscheiden wird, in welcher der beiden Welten man seinen Lebensunterhalt verdient?

Im Grunde ist das heute schon so. Ich kann im und mit dem Internet Geld verdienen oder in der realen Welt. Dieser Vergleich zeigt aber auch: In den seltensten Fällen ist es ein klares Entweder Oder. Denn das Internet und die reale Welt sind keine zwei voneinander getrennten Entitäten. Beim Metaverse wird das genauso sein. Das Metaverse mit seinen neuen Möglichkeiten etwa bei der Zusammenarbeit, beim Training oder beim Shopping wird ein Teil unseres beruflichen Lebens sein. Wachsen könnten hingegen die Möglichkeiten, mit komplett virtuellen Gütern Geld zu verdienen, etwa mit virtueller Kleidung oder virtuellen Luxusprodukten. In Ansätzen existiert das allerdings schon heute, insbesondere im Gaming-Bereich.

Mal ganz hypothetisch: Könnte ein nahtlos interagierendes Metaverse die Probleme unserer heutigen Gesellschaft auf einen Schlag lösen? Beispiel: Kann Metaverse neue Stellen schaffen, die Zahl der Arbeitslosen mindern und Mobilitätsinfrastrukturen in Städten entlasten?

Die eine Technologie, die alle Probleme unserer Gesellschaft auf einen Schlag lösen kann, wird es wohl nie geben. Das Metaverse ist da leider keine Ausnahme. Gleichwohl kann es ein Werkzeug sein, das als Lösungsangebot für einige drängende gesellschaftliche Fragen dienen kann. Ein Beispiel ist der Fachkräftemangel. Da das Metaverse die ortsunabhängige Zusammenarbeit unterstützt, können Unternehmen in eher ländlichen Regionen auf Fachkräfte zugreifen, die in entfernten Städten wohnen und nicht aufs Land ziehen würden. Die Mobilitätsinfrastrukturen würden damit auch entlastet, wenn lebensechte Remote-Arbeit an die Stelle von Pendeln tritt. Ein weiteres Beispiel ist die Inklusion. Das Metaverse eröffnet die Chance, unabhängiger von körperlichen Einschränkungen oder der Herkunft in den Austausch mit anderen zu treten oder gemeinsam zu arbeiten. Nicht zuletzt kann das Metaverse einen Beitrag zu einer besseren Bildung leisten. Als Ergänzung zu klassischen Lehrmedien kann es komplexe Zusammenhänge anschaulich vermitteln – und vor allem so, dass sie wie eine reale Erfahrung abgespeichert werden und nicht nur wie angelesenes Wissen.

Dr. Sebastian Klöss

Bereichsleiter Consumer Technology, AR/VR & Metaverse, Bitkom

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